Tarifabschluss sichert Leiharbeitern mehr Geld: Verliert das Flexibilitätsinstrument jetzt an Bedeutung?

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall zeigte sich erleichtert über den Tarifabschluss für die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie. „Mit diesem Ergebnis ist es uns gelungen, die notwendige Flexibilität für unsere Betriebe bei der Übernahme von Ausgebildeten und dem Einsatz von Zeitarbeit zu erhalten. Damit haben wir unser Kernanliegen erreicht“, sagte Dr. Rainer Dulger, Vorsitzender von Südwestmetall, am frühen Samstagmorgen in Sindelfingen. Wie wir berichteten, bekommen Leiharbeiter in Zukunft in der Metall- und Elektroindustrie mehr Geld. Berthold Huber, Erster Vorsitzender der IG Metall, kommentiert den Tarifabschluss für die Leiharbeiter: „Das Ergebnis bei der Leiharbeit setzt ein Zeichen gegen die fortschreitende Spaltung in den Betrieben und auf dem Arbeitsmarkt. Der Tarifabschluss zeigt erneut, dass in den IG Metall-Tarifverträgen bereits die notwendigen Flexibilisierungsinstrumente als Antwort auf die zunehmend volatile Wirtschaft enthalten sind.“

Doch Leiharbeit als wichtiges Flexibilisierungsinstrument in der Wirtschaft wird nun teurer, dennoch ist man auch auf Arbeitgeberseite mit dem Deal zufrieden, wie Südwestmetall-Chef Dulger erläutert: „Um das Thema Zeitarbeit haben wir besonders hart gerungen.“ Hier habe es gegolten, den Spagat zu bewältigen zwischen dem Anliegen der Gewerkschaft nach besseren Perspektiven für Zeitarbeitnehmer und dem entscheidenden Bedürfnis der Betriebe nach mehr Flexibilität. “Mit dem vorliegenden Kompromiss ist uns dieser Spagat gut gelungen“, so Dulger.

Doch wie sehen die Betroffenen in den Unternehmen den Tarifabschluss – speziell den Abschluss bei den Leiharbeitern? Dazu Hans-Jochen Beilke, Vorsitzender der Geschäftsführung der ebm-papst-Unternehmensgruppe: „Der erzielte Abschluss mit 4,3 Prozent liegt über unseren Planungen. Wir gehen damit sicher an die Grenze der Belastbarkeit. Jedoch werte ich positiv, dass weitere Tarifkämpfe sowie mögliche Streiks vermieden werden konnten.“ ebm-papst teilt Unternehmenserfolge bereits seit vielen Jahren mit den Mitarbeitern. Abhängig vom Unternehmenserfolg erhalten die Mitarbeiter standortspezifisch Sonderzahlungen. Zum Thema Leiharbeit sagt Beilke: “Einerseits finde ich es richtig, dass die Menschen in Leiharbeit für ihre getätigte Arbeit mehr Geld erhalten. Andererseits wird dieses wichtige Flexibilisierungsinstrument für Unternehmen deutlich unattraktiver.“ Auch ebm-papst greife zur Abarbeitung von Produktionsspitzen auf Zeitarbeitnehmer zurück. Dies aber im geringen Maße und mit der Absicht, guten Mitarbeitern einen festen Job anzubieten. „Unternehmen sind in der heutigen Welt mehr denn je Marktschwankungen ausgesetzt, auf die es mit einer hohen Flexibilität zu reagieren gilt. Die vereinbarte Tarifangleichung macht Leiharbeit deutlich unattraktiver und schwächt die Flexibilität der Unternehmen“, mahnt Beilke. Die Tarifangleichung von Leiharbeit basiere auf 5 Stufen. Je länger ein Zeitarbeitnehmer in einem Unternehmen beschäftigt sei, desto höher entwickeln sich die Zuschläge. Beilkes Konsequenz: „Wir werden unter Berücksichtigung der Teuerung zukünftig genau analysieren, wann und wie lange das Unternehmen einen Zeitarbeitnehmer einsetzt.“

Matthias Oft, Leiter Personalwesen SELZER Fertigungstechnik GmbH & Co. KG, kommentiert den Tarifabschluss aus der Sicht eines Automobilzulieferers: „Der Abschluss ist sehr hoch und nicht für jedes Unternehmen zurzeit gut zu verkraften. Die Beschäftigten empfinden den Abschluss sicher als gerecht.“ Was die Tariferhöhung für die Leiharbeiter betrifft, sagt Oft: „Dies war zu erwarten, für die Unternehmen nicht erfreulich, für die Leiharbeitnehmer aber ein großer Erfolg, um ein würdigeres Leben führen zu können.“ Und selbstverständlich tauge Leiharbeit auch weiterhin als Instrument für Flexibilität – sie werde halt nur teurer, so Oft.

Dr. Ingo Rendenbach, Personaldirektor bei Bosch Rexroth, sieht den Tarifabschluss so: „Wir begrüßen, dass die Tarifrunde zu einem einvernehmlichen Ende geführt werden konnte. Es ist ein Erfolg für beide Seiten, dass ein drohender Arbeitskampf vermieden werden konnten. Gerade international betrachtet ist es ein wichtiger Standortvorteil für Deutschland und auch für die Metall- und Elektroindustrie, dass trotz komplexer Sachverhalte und unterschiedlicher Auffassungen gemeinsame Lösungen auf dem Verhandlungsweg gefunden werden konnten.“ Das zeige, dass die Sozialpartnerschaft in Deutschland auch unter schwierigen Bedingungen funktioniere. Das jetzt vorliegende Verhandlungsergebnis stelle angesichts der zu Beginn der Verhandlungen sehr weit auseinander liegenden Vorstellungen beider Parteien einen fairen Ausgleich der Interessen dar, so Rendenbach. „Bei der Zeitarbeit gehen die Ergebnisse über die aktuell geltenden gesetzlichen Regelungen hinaus, so dass die notwendige Flexibilisierung und die Möglichkeit, auf stärkere wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, künftig stärker innerbetrieblich realisiert werden muss“, kommentiert Rendenbach die teuer erkaufte Einigung bei der Leiharbeit. Bei den Themen Ausbildung und Fachkräftesicherung sie man zu einem vertretbaren Ergebnis gekommen. Die Entgelterhöhung von 4,3 Prozent bedeute für die Mitarbeiter eine deutliche Reallohnsteigerung. „Aus Unternehmenssicht ist sie verkraftbar in der Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Lage nicht verschlechtert“, so Rendenbach abschließend.

Renate Pilz, geschäftsführende Gesellschafterin der Pilz GmbH & Co. KG, ist mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden: „Ich empfinde den aktuellen Abschluss als angepasst. Auch mit Blick auf die doch stetig steigende Teuerungsrate ist er nicht überzogen.“ Unabhängig von Tariferhöhungen beteiligt Pilz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter generell am Gewinn, dazu Renate Pilz: „Unseren Erfolg teilen wir gerne, es ist ja auch unser gemeinsamer Erfolg.“ Was die Erhöhung der Löhne bei Leiharbeitern anbelangt, ist Renate Pilz sehr entspannt: „Ich finde die Erhöhung gerechtfertigt. Wichtigstes Kriterium ist meines Erachtens für die Wirtschaft, dass die Flexibilität, die Unternehmen durch das Instrument Leiharbeit bekommen, gegeben ist.“ Für Renate Pilz ist und bleibt Leiharbeit nach wie vor das Flexibilitätsinstrument, auch wenn diese nun teurer wird: „Schließlich sollte dies ja kein Sparprogramm sein.“