Dresdner Industrie 4.0-Modellfabrik

„Konzepte frühzeitig mit etablierten Industriekomponenten verproben“

Unter dem Motto ‚Digitalisierung erlebbar machen’ hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) unter Leitung von Professor Dr. Dirk Reichelt mit der Industrie 4.0-Modellfabrik – das Industrial Internet of Things (IIoT) Test Bed – eine Forschungs- und Demonstrationsplattform für IoT -Lösungen im Fertigungsumfeld aufgebaut. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms ‚Forschung an Fachhochschulen – FHInvest’ geförderte Testumgebung mit einem diskreten Fertigungsprozess und allen typischen Industrie-Komponenten wurde konzipiert, um komplexe Fertigungs- und Logistikprozesse realitätsgetreu nachzubilden. „Das Test Bed kombiniert eine Vielzahl von technischen Systemen, mit denen sich typische industrielle Anwendungsfälle einfach und schnell nachbilden lassen“, beschreibt Professor Dr. rer. pol. Dirk Reichelt, HTW Dresden, Fakultät Informatik und Mathematik, die Industrie 4.0-Modellfabrik.

Auch OPC-UA-Server kommen zum Einsatz
Die technische Ausstattung besteht aus drei in die Anlage integrierte Roboterzellen, einer CNC-Zelle, einem Hochregallager, eine Vielzahl von technischen Modulen um typische Anwendungsfälle wie Drucken, Prüfen oder Pressen nachzubilden, einem Handarbeitsplatz, einer Cobot-Station, mehreren FTS und einer flexibel einsetzbaren Roboterzelle. Ergänzt wird die Umgebung durch typische Industrie 4.0-Systeme zur Datenerfassung und Verarbeitung. So wird an verschiedenen Stellen in der Anlage der Energiebedarf gemessen und in Beziehung zu den Anlagen und den produzierten Produkten gesetzt. Mit unterschiedlichen Real Time Location Services lassen sich die Positionen von beweglichen Objekten im Raum ermitteln und diese in ihrer Bewegung verfolgen.
Unterschiedliche Sensorsysteme auf RFID-Basis und anderen Funkbasierten Technologien erlaubend die Erfassung von Messwerten an unterschiedlichsten Stellen. Im Test Bed kommen speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) von unterschiedlichen Herstellern zum Einsatz. Alle sind mit einem OPC-UA-Server ausgestattet.

Professor Dr. Dirk Reichelt zum ‚Bildungsauftrag’ der Industrie 4.0-Modellfabrik: „Neue, innovative Industrie 4.0-Lösungen brauchen kreative und innovative Köpfe welche sich für die Themenwelt des MINT-Disziplinen begeistern. Ich freue mich daher sehr, dass wir mit der TÜV Süd Stiftung einen Partner gefunden haben, der uns die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, um in den nächsten zwei Jahren Experimente für sächsische Schulen zu entwickeln, mit denen wir junge Schülerinnen und Schüler für MINT-Themen begeistern und motivieren können.“ Bild: HTW Dresden, Peter Sebb
Professor Dr. Dirk Reichelt zum ‚Bildungsauftrag’ der Industrie 4.0-Modellfabrik: „Neue, innovative Industrie 4.0-Lösungen brauchen kreative und innovative Köpfe welche sich für die Themenwelt des MINT-Disziplinen begeistern. Ich freue mich daher sehr, dass wir mit der TÜV Süd Stiftung einen Partner gefunden haben, der uns die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, um in den nächsten zwei Jahren Experimente für sächsische Schulen zu entwickeln, mit denen wir junge Schülerinnen und Schüler für MINT-Themen begeistern und motivieren können.“ Bild: HTW Dresden, Peter Sebb

Über diese Schnittstellen werden die Daten aus der Steuerung kontinuierlich erfasst und in einem Data Lake gespeichert. Basierend auf diesen Daten werden unterschiedliche Demonstratoren realisiert. Das Test Bed beherbergt auch den Trail ‚Industrial IoT Test Bed’ des Dresdner Smart Systems Hub. In diesem Trail präsentieren die Test Bed-Macher die in Zusammenarbeit mit Unternehmen entstanden Lösungen für die Realisierung von Industrie 4.0-Use Cases. „Dies reicht von der Messung von Temperaturdaten mittels RFID-Sensor im Ofen über Lösungen für eine Prozessüberwachung aus der Cloud bis hin zu Konzepten für die Anbindung von Anlagen über eine LiFi-basierte Verbindung“, erläutert Professor Reichelt den Trail.

Im Fokus: Reale Maschinen- und Anlagendaten
„In unseren FuE-Arbeiten als Informatiker arbeiten wir häufig mit einer Menge von Daten“, so Professor Reichelt. „Daten sind in der Regel immateriell und schwer greifbar. Daher entstand bei meinen Mitarbeitern und mir die Idee, eine Anlage zu schaffen, mit der sich der Ursprung der Daten zeigen lässt und mit der wir und unsere Partner in Forschung und Entwicklung reale Maschinen- und Anlagendaten nutzen können.“ Damit lassen sich die dabei gewonnen Erkenntnisse schneller und effizienter in der Praxis übertragen. Das Ziel von Reichelt und seinem Team war, eine Umgebung zu schaffen, in der alle wesentlichen Systemkomponenten einer Industrie 4.0-Fertigung abgebildet sind. „Mit den zusätzlich geschaffenen Umsystemen zur Lokalisierung und Sensorwerterfassung konnten wir genau dies erreichen“, bilanziert der Spezialist für Informationsmanagement.

Test Bed und Umsysteme ermöglichen einfaches Prototyping
Eines der Alleinstellungsmerkmale der Dresdner Modellfabrik ist die Betrachtung von Prozessinnovationen für die Digitalisierung in der Fertigung aus einem 360°-Blick. Auf technischer Ebene bedeutet dies, dass die Wissenschaftler einen durchgängigen Materialfluss vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Warenausgang mit allen dafür notwendigen Systemen abbilden können.

Die Dresdner IIot-Modellfabrik richtet sich an Unternehmen unterschiedlicher Branchen, die Digitalisierungs- und IoT-Lösungen einführen möchten. Die technische Ausstattung besteht aus drei in die Anlage integrierte Roboterzellen, einer CNC-Zelle, einem Hochregallager, eine Vielzahl von technischen Modulen um typische Anwendungsfälle wie Drucken, Prüfen oder Pressen nachzubilden, einem Handarbeitsplatz, einer Cobot-Station, mehreren FTS und einer flexibel einsetzbaren Roboterzelle. – Bild: HTW Dresden, Peter Sebb
Die Dresdner IIot-Modellfabrik richtet sich an Unternehmen unterschiedlicher Branchen, die Digitalisierungs- und IoT-Lösungen einführen möchten. Die technische Ausstattung besteht aus drei in die Anlage integrierte Roboterzellen, einer CNC-Zelle, einem Hochregallager, eine Vielzahl von technischen Modulen um typische Anwendungsfälle wie Drucken, Prüfen oder Pressen nachzubilden, einem Handarbeitsplatz, einer Cobot-Station, mehreren FTS und einer flexibel einsetzbaren Roboterzelle. – Bild: HTW Dresden, Peter Sebb

Die einzelnen Prozessschritte werden jeweils durch geeignete Digitalisierungslösungen für einen automatischen Materialtransport, die Materialverfolgung, die Maschnine-zu-Maschine-Kommunikation und die Vernetzung den Material, Werkzeug und Maschine unterstützt. „Die ergänzenden Umsysteme (Sensorik, Energiemessung und Lokalisierung) erlauben ein einfaches Prototyping“, sagt Reichelt. Weiterhin sei die Anlage als wandelbare, Smart Factory konzipiert und könne schnell auf unterschiedliche Szenarien angepasst werden, so Reichelt weiter. So wurde bereits im Aufbau großer Wert auf die Erweiterbarkeit gelegt.
Heute lassen sich auf den installierten Modulen weitere Anwendungsfälle einrichten und neue Applikationen hinzufügen. „Auf der organisatorischen Ebene bündeln wir in dem Test Bed die Forschung der HTW Dresden auf dem Gebiet Industrie 4.0: damit bieten wir unseren Projektpartnern die einmalige Möglichkeit, eine umfassende Expertise auf allen wesentlichen Bereichen (Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik und Wirtschaftswissenschaften) anbieten zu können“, fasst Reichelt die Bandbreite der Industrie 4.0-Modellfabrik zusammen. Derzeit arbeite man mit T-Systems Multimedia Solutions, Pepperl+Fuchs, Robotron Datenbank-Software, Essel Deutschland, Sick, SQL Projekt, DUALIS IT Solution sowie Camline Dresden zusammen.

Demonstratoren für Industrie 4.0-Lösungen
Die Zusammenarbeit der HTW mit den Unternehmen und anderen F&E-Einrichtungen erfolgt in unterschiedlichen Projekten und Formaten. Dies reicht von Workshops für die Erarbeitung von Industrie 4.0-Potentialen in der Fertigung, die Zusammenarbeit in FuE-Projekten bis hin zur Realisierung von konkreten Demonstratoren in der Modellfabrik. Seit mehr als drei Jahren existiert zusätzlich die Kooperation der HTW Dresden mit dem Fraunhofer-IPMS (Institut für Photonische Mikrosysteme). „In der angewandten Forschung arbeiten wir eng mit dem Fraunhofer-IPMS zusammen“, sagt Reichelt.

Intelligenter Werkzeugbahnhof: Per RFID-Technologie werden die Wechselwerkzeuge identifiziert und deren Position an die Robotersteuerung übertragen. Bild: HTW Dresden, Peter Sebb
Intelligenter Werkzeugbahnhof: Per RFID-Technologie werden die Wechselwerkzeuge identifiziert und deren Position an die Robotersteuerung übertragen. Bild: HTW Dresden, Peter Sebb

„Gemeinsam realisieren wir in der Modellfabrik Lösungen für die drahtlose und batterielose Erfassung von Sensorwerten in industriellen Umgebungen.“ In der Zusammenarbeit mit den IT-Unternehmen T-Systems Multimedia Solutions und Robotron Datenbank-Software konnten Reichelt und Kollegen eine Reihe von neuen Demonstratoren für die vernetzte, intelligente Fertigung unter Nutzung von Cloud-Lösungen aufbauen. In Zusammenarbeit mit Pepperl+Fuchs ist in den letzten Monaten eine Reihe von Demonstratoren für typische Cyber-Physical-Production-Systems entstanden. „Wir freuen uns besonders, dass wir mit dem Start-Up Wandelbots in einem unserer aktuellen Projekte einen neuen Partner gewinnen konnten und das Unternehmen bei seinen innovativen Ideen zur Roboterprogrammierung unterstützen können“, so Reichelt.

Neue Produkte für den Markt vorbereiten
Das Industrial IoT Test Bed zählt mit zu den größten und umfangreichsten Testumgebungen in Deutschland. Gemeinsam mit den Partnern arbeiten Reichelt und sein Team weiter daran, eine Vielzahl von neuen Demonstratoren für die Digitalisierung auf dem betrieblichen Hallenboden aufzubauen und mit ihnen gemeinsam in FuE-Projekte neue Cyber-Physical-Production-Systems zu entwickeln. In diesem Jahr wurde das Test Bed bereits um einen Cobot (Collaborative Robot) erweitert, welche aktuelle Projektarbeiten unterstützt. So können Unternehmen in dem Industrial IoT Test Bed ihre neuen Produkte und Komponenten im Zusammenspiel mit unterschiedlicher Hard- und Software erproben und für den späteren Produktiveinsatz vorbereiten. Die in den FuE-Projekten entstanden Ergebnisse werden in der Regel von den Unternehmen nach Projektabschluss für den Serieneinsatz weiterentwickelt. „Unsere Partner profitieren dabei von kurzen Feedbackzyklen in der Projektphase, da neue Konzepte frühzeitig mit etablierten Industriekomponenten verprobt werden können“, beschreibt Reichelt den großen Vorteil der Modellfabrik für Firmen.