1. Wie stark ist das ‚Herzstück’ der deutschen Industrie und Deutschlands Vorzeigebranche überhaupt von der Krise direkt betroffen?
Dr. Manfred Wittenstein:
Die Produktion im deutschen Maschinen- und Anlagenbau wird in diesem Jahr von dem außergewöhnlich hohen Niveau des Vorjahres 10 bis 20 Prozent verlieren. Die Unternehmen setzen alles daran, ihren Beschäftigtenstamm so gut es geht zu erhalten. Sie nutzen dazu die flexiblen Arbeitspuffer wie Zeitarbeit, Arbeitszeitkonten und Kurzarbeit. Gleichwohl wird unsere Branche nicht um einen Arbeitsplatzabbau umhinkommen. Wir rechnen mit einem Rückgang in der Kernmannschaft im Jahresverlauf in der Größenordnung von bis zu 50 Tausend Stellen.
2. Wie hängt die ebenfalls nicht unkritische Lage der Autoindustrie mit der des Maschinenbaus zusammen?
Dr. Manfred Wittenstein:
Die Automobilindustrie ist mit einem Anteil von knapp 10 Prozent der zweitgrößte Kunde des Maschinenbaus. Für einige Fachzweige wie Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge oder auch Kunststoff- und Gummimaschinen hat er sogar eine noch höhere Bedeutung. Insofern wirkt sich die kritische Lage dieser Branche in der kurzfristigen Perspektive zunächst einmal negativ aus. Mittel- und langfristig dagegen rechnen wir eher mit Chancen und positiven Impulsen. Die Autoindustrie muss sich enorm anstrengen, neue, schadstoffärmere und sparsamere Autos auf den Markt zu bringen. Alternative Antriebsarten gewinnen an Bedeutung. Hier kann und wird der Maschinenbau die entscheidenden Beiträge leisten, die den Fahrzeugbauern die Fertigung der neuen Modelle überhaupt erst ermöglicht.
3. Wo liegen eigene Fehler des jahrelangen Exportweltmeisters für die Krise?
Dr. Manfred Wittenstein:
Eines muss ich ganz deutlich ansprechen: Es handelt sich hier nicht um eine Krise, die der Maschinenbau ausgelöst hat. Insofern haben wir auch keine Fehler gemacht.
Es gibt jetzt Stimmen, die sagen, die deutsche Wirtschaft solle sich stärker auf ihren heimischen Markt ausrichten. Das ist für Branchen wie der unsrigen kein realistisches Ziel. Die internationale Arbeitsteilung ist so stark ausgeprägt, dass wir unsere Spezialitäten rund um die Welt anbieten müssen, um erfolgreich zu sein. Gegen höhere Investitionen in Deutschland haben wir uns allerdings nie gewehrt. Im Gegenteil: Seit Jahren treten wir dafür ein, dass der Investitionsstandort Deutschland gestärkt wird.
4. Wie könnte ein Zusammenspiel a) national zwischen Politik und Wirtschaft auf der einen Seite und b) international zwischen den großen Playern Asien, Europa und Amerika wirtschaftlich und politisch auf der anderen Seite der Branche eine krisensichere Zukunft bescheren?
Dr. Manfred Wittenstein:
Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau braucht vernünftige wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Deutschland. Dazu gehören Verlässlichkeit und Planbarkeit auf der einen Seite und Flexibilität auf der anderen. Konkrete Herausforderungen, um den Standort Deutschland zu stärken, sieht der VDMA vor allem in der Verbesserung der Investitionsbedingungen, denn nach wie vor wird in Deutschland zu wenig investiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Verbessert werden müssen die Regelungen zur Unternehmensnachfolge (Erbschaftsteuer), die steuerlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen und ganz besonders die Bildungs- und Forschungspolitik. Kreativität und Innovation sichert den zukünftigen Wohlstand. Bürokratie muss weiter reduziert werden, gleichzeitig dürfen keine zusätzlichen Belastungen auf die Unternehmen zukommen. Produktlenkung durch politische Vorgaben lehnen wir ab, denn die Unternehmen wissen am besten, wie sie marktfähige Produkte herstellen.
Auf internationaler Ebene muss es vor allem darum gehen, entschieden gegen Protektionismus vorzugehen. Die Erfahrung zeigt, dass nationale Schutzmaßnahmen Krisen verschärfend wirken. Ein Bekenntnis zum Freihandel von allen großen internationalen Akteuren ist deshalb besonders wichtig. Ein weiterer Punkt ist die dauerhafte Neuordnung des globalen Finanzsystems mit dem Ziel, dass sich Erscheinungen wie die gegenwärtige Krise nicht wiederholen. Auch dabei müssen Europa, Asien und Amerika zusammenwirken. Und schließlich kommen die globalen Herausforderungen des Klimaschutzes hinzu. Hier muss allen Beteiligten klar sein, dass nationale oder regionale Alleingänge nicht Ziel führend sein können.
6. Welche Rolle kommt den Hauptverursachern, den Banken, bei der Krisenbewältigung im Maschinenbau zu?
Dr. Manfred Wittenstein:
Es macht wenig Sinn, „den Banken“ allein die Schuld an der Finanzmarktkrise und deren Übergreifen auf die Weltwirtschaft zuzuweisen, da dabei auch Fehler und Lücken in der staatlichen Bankenaufsicht, von Rating-Agenturen und der Geldpolitik vor allem in den USA eine wesentliche Rolle gespielt haben. Dennoch kommt natürlich den Banken eine Schlüsselfunktion in der Wiederbelebung und im Offenhalten der Kreditmärkte untereinander und für die übrigen Wirtschaftsunternehmen zu. Dieses Ziel ist derzeit noch nicht erreicht, vor allem nicht für mittel- und langfristige Finanzierungen, für kleinere und für sehr große Unternehmen. Deshalb sind die Sonderprogramme der KfW zur Sicherung der Liquidität von Unternehmen sehr notwendig. Denn diese Unternehmen werden jetzt durch Auftrags- und Umsatzrückgänge gebeutelt und müssen im Aufschwung – wann immer er auch kommt – steigende Umsätze wieder vorfinanziert bekommen.
8. Was würden Sie als Unternehmer konkret tun, um a) überhaupt die Krise zu meistern und vielleicht sogar b) gestärkt aus ihr hervorzugehen?
Dr. Manfred Wittenstein:
Die Frage ist genauso leicht zu beantworten wie schwer in die Realität umzusetzen. Um die Krise zu überstehen ist Liquidität das Zauberwort: „Cash is King“. Am Ende des Tages müssen die Rechnungen, Löhne und Gehälter bezahlt werden. Also: Kosten runter, Produktivität rauf, Liquidität sichern. Wenn man das – auch schnell genug – hinkriegt, dann kommt man mit ein paar kleineren Blessuren durch diesen Sturm. Wenn es einem daneben auch noch gelingt, in der eigenen Unternehmung Strukturen und Abläufe zu optimieren sowie den Erfolg von morgen durch intelligente Zukunftsinvestitionen vorzubereiten, dann kann man in der Tat gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Wie gesagt, wahrlich kein leichtes Unterfangen.
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