Halbleiterbranchentreff SEMICON im Silicon Saxony: „Die Konkurrenz ist nicht in Europa, sondern kommt aus Asien und USA.“

„Wir begrüßen die Gründung von Globalfoundries mit dem zentralen Fertigungsstandort in Dresden als deutliches Zeichen für die Wettbewerbsfähigkeit des Hochtechnologiestandortes Europa.“ Dies erklärte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) im Frühjahr 2009 anlässlich der Ankündigung des US-Schaltkreisherstellers AMD, seine Dresdner Chipwerke in Globalfundries – ein Joint Venture von AMD und Advanced Technology Investment Company (ATIC) aus Abu Dhabi – auszugliedern. Mehr als ein Jahr später sieht Tillich mit der in Dresden zum zweiten Mal nach 2009 stattfindenden wichtigsten Mikroelektronikmesse Europas, der SEMICON 2010, ein klares Bekenntnis zum „Silicon Saxony“ am Standort Europa. „Wir gehen dahin, wo eines der führenden Cluster der Halbleiterindustrie beheimatet ist“, begründete Heinz Kundert, Präsident der Branchenvereinigung SEMI Europe, diese Entscheidung. Kundert weiter: „Durch eine weitsichtige Ansiedlungspolitik hat sich Silicon Saxony zu einem der bedeutendsten Mikroelektronikstandorte in Europa entwickelt. Rund um die Branchenführer ist ein vitales Cluster mit großem Potenzial entstanden. Inzwischen wird jeder zweite europäische Chip in Sachsen produziert. Das macht Silicon Saxony zu dem Forschungs-, Entwicklungs- und Fertigungsstandort in Europa. Näher kann man nicht an seinen Kunden sein.“ Eine besondere Aufwertung und Ehre für die SEMICON-Macher war sicherlich der hervorragend besuchte Vortrag des diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Dr. Kostya Novoselov zum Thema „Graphene: Materials in the Flatland“.

IC-Markt und SEMICON entwickeln sich (noch) nicht gleich

Die Dresdner Mikroelektronik gilt heute gemeinsam mit der Freiberger Solar-Branche als eines von zwei Forschungs- und Produktionszentren der europäischen Halbleiterindustrie. Der zweite Standort ist das französische Grenoble. In Sachsens Halbleiterindustrie arbeiten derzeit 43.000 Beschäftigte in 1.500 Firmen, in Grenoble sind es 39.000 in etwa 400 Unternehmen. Dass aber die Zulieferer und Dienstleister rund um die IC-Branche nicht nur in Grenoble und Dresden ansässig sind, zeigt die mit 350 Ausstellern zwar geschrumpfte, aber mit 20 vertretenen Nationen und 8.000 Besucher aus aller Welt international sehr gut aufgestellte SEMICON, wie auch Owen Tangney, Sales Director beim schottischen Halbleiter-Ausrüster und –Zulieferer Semi Scenic, findet: „Die SEMICON ist und bleibt für uns eine professionelle  und wertvolle Plattform für weltweite Kontakte und Partnerschaften; wir begrüßen besonders den Einstieg von Globalfoundries hier in Dresden, der für die ganze Branche wie ein Startschuss für eine neue, erfolgreiche Ära in Europas Halbleiterindustrie ist.“ Dem kann auch Quasys Sales-Mann Rolf Nussbaumer beipflichten: „Wir alle profitieren von dieser Investition im Silicon Saxony. Wenn auch die SEMICON selber kleiner geworden ist, die Branche befindet sich im Aufwärtstrend, was wir u.a. an der Qualität und Intensität der Gespräche hier auf der Messe festmachen konnten.“ Quasys (Steinhausen), spezialisiert auf den Vertrieb von Produkten für die Halbleiterbranche wie Temperaturmessgeräte und Instrumente für Wafer- und Oberflächeninspektion, werde auch nächstes Jahr wieder auf der SEMICON Flagge zeigen, wenn auch mit einem kleineren Stand, so Nussbaumer. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt die Einschätzung von Alain Astier, Vizepräsident von ST Microelectronics (Genf), dass sich die Branche in Europa noch immer im ‚Überlebensmodus’ befände. Deshalb müsse man versuchen, sich in Europa auf die beiden wichtigsten Zentren zu konzentrieren. Ein deutliches Zeichen hierfür dürfte das bereits angesprochene Engagement des Chiphersteller Globalfoundries sein, der in Dresden 1,2 Milliarden Euro investiert hat und bis 2012 einen neuen Reinraumkomplex errichten will. Heinz A. Kundert sieht in diesem Schritt einen Beweis für die Kompetenz und den guten Namen der Halbleiterindustrie in Europa. „Die haben sich etwas überlegt dabei, das garantiere ich Ihnen“, so Kundert im Rahmen einer Pressekonferenz auf der SEMICON, die auch 2011 wieder in Dresden stattfinden soll, Kundert weiter: „Unsere Konkurrenz ist nicht innerhalb Europas zu suchen, sondern kommt hauptsächlich aus Asien und USA.“ Sachsens Ministerpräsident Tillich forderte hier in Richtung Brüssel eine strategische Ausrichtung der europäischen Halbleiterindustrie: „Die EU sollte anerkennen, dass man hier nicht innerhalb Europas, sondern mit Asien und den USA konkurriert.“

SEMICON 2010: „Wir kommen wieder!“

Roland Meylan, Communication Manager AlpVision (Vevey), hat genau die Vertreter dieses weltweiten Marktes auf der SEMICON im Visier: „Als Spezialist in der Entwicklung von unsichtbaren Sicherheitsmerkmalen beim Schutz von Markenprodukten und bei der Fälschungsbekämpfung in der Halbleiterindustrie konnten wir die Messe nutzen, um weltweit Kontakte aufzubauen und die Branche näher kennen zu lernen. Wir hatten zwar nicht so viele, dafür aber sehr gute Gespräche mit internationalen Unternehmensvertretern der kompletten Supply Chain in dieser Industrie.“

Überhaupt, was die weltweite Konjunkturentwicklung anbelangt, sieht SEMI-Weltpräsident Stanley Myers den erhofften Aufschwung; nach Myers Angaben gibt die Halbleiterindustrie dieses Jahr mehr als doppelt so viel Geld für Ausrüstung und Material aus wie im Krisenjahr 2009. Auch für nächstes Jahr erwartet Myers leichten Zuwachs, immer getrieben von der Nachfrage nach innovativen, neuen Produkten wie beispielsweise das iPad im Consumer-Umfeld oder im Bereich E-Mobility. SEMI-Europa-Chef Heinz Kundert gibt sich vorsichtiger als Myers und prognostiziert lediglich ein positives Marktumfeld „für die nächsten Quartale“. Das kann Allan Jaunzens, Marketing Manager EVATEC (Flums), einem Hersteller von Beschichtungsmaterialien für Elektronik- und Halbleiteranwendungen, nur bestätigen: „Wir hatten sehr gute Kontakte in den vergangenen Tage. Unsere Ansprechpartner wie Prozess- und Produkt-Ingenieure waren eindeutig in der Überzahl der Besucher. Die Stimmung unter den Ausstellern ist ebenfalls sehr gut, man spürt so etwas wie Aufbruchstimmung. Von den Veranstaltern war zu hören, dass die Anzahl der Anmeldungen für die nächste SEMICON am zweiten Messetag schon über der von 2009 am dritten Tag der Show lag.“ Die Verantwortlichen bei der Zürcher Levitronix GmbH waren ebenfalls mit der Dresdner Branchenmesse sehr zufrieden, wie Wolfgang Dornfeld, Vice Präsident Field Operations zusammenfasst: „Mit unserer einzigartigen Magnetschwebetechnologie für Pump- und Mischssyteme sowie für Durchflussmessungen haben wir hier einen Volltreffer gelandet. Die Besucher kamen gut vorbereitet und hatten – das ist ein großer Vorteil kleinerer und übersichtlicherer Fachmessen – mehr Zeit und Ruhe für die Fachgespräche.“ Wie seine Kollegen betont auch Dornfeld die positiven Auswirkungen der Dollar-Milliarden für Dresden: „Alle in dieser Lieferkette beteiligten Unternehmen werden früher oder später von dieser Investition am IC-Standort Dresden profitieren.“ Man werde auch nächstes Jahr wieder in die Elbmetropole kommen, so Dornfeld weiter.

Wachstumsmarkt „Organische Elektronik“

Positive Signale kamen aber auch von der parallel zur SEMICON veranstalteten Plastic Electronics, der Fachmesse für organische Elektronik. So betonte der Direktor des Fraunhofer Instituts für Photonische Mikrosysteme (Dresden), Professor Karl Leo, das enorme Wachstumspotenzial der organischen Elektronik: Derzeit liege der Jahresumsatz bei einer Milliarde Dollar, in 15 bis 20 Jahren könnten es schon 300 Milliarden Dollar sein. Fraunhofer–Mann Leo blickt noch einmal in die Zukunft. „Eines Tages wird es ganz normal sein, Solarzellen von einer Rolle in jedem Baumarkt dieser Welt zu kaufen.“ Auch aufrollbare Bildschirme oder Leuchtfolien als Ergänzung und Ersatz für Leuchtstoffröhren könnten bis dahin bezahlbar hergestellt und im Handel bezogen werden.

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