Ganzheitliches Ressourcenmanagement –

Gratwanderung zwischen akademischem Anspruch und Machbarkeit

Gastbeitrag von Rainer Trendelenburg, Geschäftsführer wiko Bausoftware GmbH, Freiburg

Beispiele über die erfolgreiche Einführung eines Ressourcenmanagements sind rar. Viele Organisationen kommen nach jahrelangen Anstrengungen zum Ergebnis, dass eine effiziente Ressourcensteuerung wohl akademischer Anspruch bleibt. Die Mitarbeiter sind nach mehreren Versuchen für keinen neuen Anlauf mehr zu motivieren. Aufwand und Nutzen stehen wohl in keinem vernünftigen Verhältnis. Die Gründe hierfür liegen in der Wahl ungeeigneter Methoden und Implementierungsmodelle. Dieser Artikel beschreibt, wie realistische Ziele formuliert und erreicht werden können. Es werden Empfehlungen zu Auswahl von Methoden und Werkzeugen sowie für die Implementierung ausgesprochen. Unter Beachtung solcher Rahmenbedingungen gelingt auch die Einführung und Weiterentwicklung eines ganzheitlichen und standortübergreifenden Ressourcenmanagements in mittleren und großen Organisationen.

Löst ein Werkzeug die Probleme?

Der Artikel beschränkt sich auf das personenbezogene Ressourcenmanagement in Projekten. Die Grundlagen lassen sich jedoch auch auf andere Ressourcenplanungen übertragen. Der Konkurrenzkampf um ausreichende und qualifizierte Ressourcen gehört in den meisten Organisationen zum Arbeitsalltag. Dementsprechend sind die Leistungsträger sensibilisiert und verbinden unangenehme Erfahrungen mit diesem Thema. Da liegt es nahe, nach Werkzeugen zu suchen, welche dieses Problem scheinbar lösen können. Leider wird oft übersehen, dass ein Werkzeug kein Problem lösen kann, sondern eine solche Lösung bei geeigneter Anwendung nur unterstützen kann. Dies führt zu einer unrealistischen Erwartungshaltung und Anforderungen bei der Methodenauswahl, welche von vornherein zum Scheitern eines erfolgreichen Ressourcenmanagements führen.

Organisation und Prozesse

Ein ganzheitliches Ressourcenmanagement ist in der Regel projekt- und linienübergreifend und muss somit eine Matrixfunktion erfüllen. Damit ist nicht mehr der Projektleiter allein für den Ressourceneinsatz verantwortlich, sondern die Zuweisung zu den Projekten muss aus dem Blickwinkel der Linienverantwortlichen unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit und Auslastung erfolgen. Auch aus Sicht der Unternehmensführung muss eine Priorisierung nach strategischen und wirtschaftlichen Kriterien erfolgen.

Zwei Ansätze sind geeignet diese Matrix in der Organisation umzusetzen. Nach dem einen Ansatz liegt die Verantwortung für die Ressourcenzuweisung bei den Linienverantwortlichen, welche in direkter Abstimmung mit den Projektverantwortlichen die Planung und Fortschreibung durchführen. Bei Konflikten werden typischer weise die Projektlenkungsausschüsse oder eine übergeordnete Linieninstanz beigezogen.

Der zweite Ansatz sieht eine eigene organisatorische Instanz für die Ressourcenplanung vor, die bei einem gegebenenfalls etablierten Projektoffice oder eigenständig in einer Stabsfunktion in geeigneter Hierarchieebene angesiedelt ist. Konfliktlösungen liegen dann in der Regel bei der verantwortlichen Führungskraft, welcher die Stabsstelle zugeordnet ist.

Im Rahmen genehmigter Ressourcenzuweisungen obliegt dann die detaillierte Personaleinsatzplanung dem Projektleiter, die aufgrund konkreter Aufgaben durchgeführt wird.

Detaillierungsgrad

Im Projektumfeld kann ein Ressourcenmanagement nie ein „Wirklichkeit“ abbilden. Es gilt der Grundsatz nur so genau zu planen, wie es zur Bewältigung von Konflikten und der Sicherstellung des Unternehmenserfolges unbedingt erforderlich ist. Häufig werden für die Konzeption und Systemevaluierung jedoch noch unerfahrene Mitarbeiter oder gar Diplomanten eingesetzt, die nach einem theoretischen Optimum streben, welches sich in der Praxis gar nicht umsetzen lässt. Es gilt genau abzuwägen welcher Nutzen einem höheren Planungsaufwand gegenübersteht. Gegebenenfalls erfüllt im ersten Schritt die Planung der Schlüsselprojekte auf Ebene der Mitarbeiterqualifikationen und in Monatssicht bereits 80% des Informationsbedarfs. Dieses Ziel lässt sich rasch umsetzen und bringt zeitnah die ersten positiven Ergebnisse. Auch die weitere Pflege der Planung lässt sich so mit vertretbarem Aufwand sicherstellen. Wo benötigt, sollt der Detaillierungsgrad jedoch partiell und schrittweise weiter skaliert werden können. So muss zur Disposition eines Servicetechnikers zum Beispiel die stündliche und persönliche Verfügbarkeit transparent sein.

Systemintegration und Systemauswahl

Grundsätzlich hilft eine hohe Integration der Managementsysteme und die weitgehend redundanzfreie Datenhaltung Prozesse und Kosten im Bereich der Informatik schlank zu halten. Jedoch zeigen die Erfahrungen, dass auch ein in der Theorie alles umfassendes ERP-System für den Einsatz in der eigenen Organisation Schwächen aufzeigt, die erhebliche Auswirkungen auf die Prozesse und Wirtschaftlichkeit haben. Ein Ressourcenmanagement muss sowohl eine Integration in das ERP-System als auch in das Portfolio und operative Projektmanagement gewährleisten. Hierbei sind jedoch Automatismen zu vermeiden, welche zum Beispiel eine ungewollte Veränderung der Ressourcenplanung durch spontane Änderung von Projektterminen oder Auftragsänderungen verursachen. Nur der bewusste Abstimmungsprozess zwischen den Beteiligten führt zu nachvollziehbaren Ergebnissen und auch der Voraussetzung, dass eine Verantwortung für die Ressourcenplanung auch wahrgenommen werden kann. Unter diesem Aspekt müssen in den meisten Fällen auch Verfahren für die automatisierte Ressourcenglättung äußerst kritisch betrachtet werden.

Ein Werkzeug für das Ressourcenmanagement muss unbedingt die gewünschten Ziele methodisch unterstützen. Die weit verbreitete Praxis, diese Ziele der Methodik eines ungenügenden Moduls einer bereits bestehenden ERP- oder Projektmanagementlösung anzupassen, führen zu den eingangs erwähnten Misserfolgen. Das Werkzeug sollte jedoch eine hohe Integration in die bereits vorhandene Systemumgebung ermöglichen.

Architektur und Methodik eines Ressourcentools

Das Ressourcentool muss eine Matrixorganisation abbilden können. Projekte werden häufig abteilungs-, oder sogar standort- und firmenübergreifend bearbeitet. Hierfür müssen einzelne Projektelemente unterschiedlichen Kostenstellen zugeordnet werden oder Innenaufträge vergeben werden können. Auch die Ressourcen sind unterschiedlichen Kostenstellen zugeordnet. So kann der Personaleinsatz projektbezogen geplant und nach Kostenstellen ausgewertet werden.

Abbildung 1: Matrixorganisation

In einer solchen Matrixorganisation ist in der Regel der Linienverantwortliche für die Breitstellung der Ressourcen und der Projektleiter für Kosten, Termine und Qualitäten zuständig. Damit diese Verantwortungen wahrgenommen werden können, ist zu empfehlen, dass die heute bei den meisten Projektmanagementprogrammen zwangsläufige Verknüpfung zwischen Ressourcen- und Terminplanung aufgehoben werden kann. Ein Projektleiter muss in die Lage versetzt werden mehrere Terminvarianten zu planen und kleinere Änderungen im Projektterminplan autark durchführen zu können, ohne jeweils automatisch den Ressourcenplan zu ändern. Ansonsten ändert sich die Planung schon bei kleineren Projektportfolios permanent und die Ressourcenverantwortlichen können ihre Verantwortung nicht wahrzunehmen.

Auch sollte es, gerade für die Portfolioplanung und für „What-If“-Szenarien, möglich sein eine große Ressourcenzuordnung zu Projekten vorzunehmen ohne vorweg zwingend einen differenzierten Terminplan aufstellen zu müssen. Selbstverständlich muss das eingesetzte Softwaretool Planabweichungen erkennen und die Planungen in einem bewussten Prozess wieder zu synchronisieren können.

Die Ressourcen sollten immer aus Sicht der Gesamtauslastung oder der Auslastung einzelner Unternehmensbereiche und Mitarbeiterqualifikationen erfolgen können. Hier unterstützt ein unternehmensweiter und projektübergreifender Ressourcendesktop.

Abbildung 2: Ressourcendesktop (Quelle: atolix GmbH)

In Abbildung 2 ist ein Beispiel aufgeführt, wie ein Ressourcendesktop aufgebaut sein kann. Die Perioden können nach Jahren, Quartalen bis zum einzelnen Tag skaliert werden. Der Ressourcenbedarf und die Auslastung sind in drei Balkendiagrammen dargestellt. Das obere Balkendiagramm zeigt den Ressourcenbedarf sowie die bereits zugeordneten Mitarbeiter für alle in die Planung einbezogenen Projekte. Das mittlere Balkendiagramm zeigt die Auslastung aller Ressourcen an. Diese Darstellung differenziert nach generisch, also nur nach Qualifikation oder Team, und nach konkreten Personen geplanten Ressourcen. Das untere Balkendiagramm zeigt die Auslastung einzelner Mitarbeiter an.

Anstelle des oberen Balkendiagramms kann ein konkreter Projektplan ausgewählt um per Drag und Drop die benötigten Ressourcen generisch oder als Personen zuzuweisen. Mit jeder Zuweisung wird die Sicht auf das Projekt und die Auslastung der Ressourcen aktualisiert.

Ressourcen sollten nicht immer zwingend über die gesamte Laufzeit eines Projekttasks zugeordnet werden müssen. Damit wird vermieden, dass der Projektstrukturplan unübersichtlich erweitert werden muss, nur um die Ressourcenzuordnung abbilden zu können. Unterschiedliche Zuordnungsregeln wie nach Zeiträumen, nach Tagesstunden oder nach Verfügbarkeit sollten zur Verfügung stehen. Jede Zuordnung wird automatisch auf Tagesstunden heruntergebrochen, so können die Daten in jeder Periodenskalierung dargestellt und auch effizient aktualisiert werden.

Abbildung 3: Dialogfenster für Ressourcenzuteilung (Quelle: atolix GmbH)

Für Analysen stehen umfangreiche Filter wie zum Beispiel Projektleiter, Kostenstellen, Skills etc. zur Verfügung. So kann jeder beliebige Unternehmensausschnitt betrachtet werden.

Für den einzelnen Mitarbeiter können Urlaubszeiten, Gemeinkostenanteile (z.B. für Besprechungen und Verwaltungsaufgaben) und Grundlasten für Kleinprojekte und Linienaufgaben hinterlegt werden. So kann die Ressourcenplanung auf die wichtigsten Projekte eingeschränkt und der Planungs- und Pflegeaufwand gering gehalten werden.

Ein Ressourcentool sollte als weitere Merkmale gewährleisten:

–          Über Systemeinstellungen sollte definiert werden können, welche Projekt in der Ressourcenplanung berücksichtigt werden sollen

–          Beliebige Portfolios weiterer Projekte sollten für eine Simulation zugeladen werden können

–          Es sollte definiert werden können auf welche Projektelemente eine Ressourcenplanung erfolgen soll. Damit kann der Projektplan wesentlich differenzierter als der Ressourcenplan gehalten werden.

–          Eine kostenorientierte Projektkalkulation sollte in eine zeitraumbezogene Ressourcenplanung überführt werden können

–          Den geplanten Ressourcen sollten die tatsächlich verbrauchten Ressourcen gegenüber gestellt werden können.

–          Eine Ressourcensuche und Zuordnung sollte auch über Skills erfolgen können

Sind den Projektelementen Erlöse und den Ressourcen Kostensätze zugeordnet kann, wie in Abbildung 3 dargestellt, aus der Ressourcenplanung auch sofort eine wirtschaftliche Projektvorschau abgeleitet werden.

Abbildung 4: Controllingcockpit, Projektvorschau

Implementierung

Die Implementierung einer Ressourcenplanung ist ein umfangreiches Organisationsprojekt. Oft wird die Meinung vertreten, man müsse lediglich die Projektleiter anhalten, künftig ihre Projektpläne mit Ressourcenzuordnungen zu versehen. Hierbei wird einerseits die Bedeutung des Ressourcenmanagements für die Unternehmenssteuerung und Organisation unterschätzt, andererseits etablieren sich keine Prozessstandards, die eine entsprechende Qualität der Planung gewährleisten.

Die Implementierung muss unter den Aspekten Methodik und Prozesse, Systemintegration, Datenerfassung und Schulung geplant werden. Gegebenenfalls ist zuerst eine Pilotierung für einen eingegrenzten Benutzerkreis durchzuführen, um für den weiteren Rollout robuste Rahmenbedingungen zu schaffen. Da der endgültige Kreis der betroffenen Mitarbeiter recht groß werden kann, sollten alle Fragestellungen soweit in kleinerem Kreis geklärt und verifiziert werden, dass nicht die Bereitschaft bereits unter dem Eindruck zahlreicher Änderungen während der Erstimplementierung leidet.

Die Begleitung der Implementierung sollte durch eine nicht in die operativen Prozesse eingebundene Führungskraft oder einen externen Consultant erfolgen. Ressourcenmanagement ist ein konfliktreiches Thema, die inhaltlichen Fragestellungen konkreter Projekte müssen unbedingt vom Implementierungsprozess unterschieden werden. Sonst droht sehr schnell das einzuführende Softwaretool zum Substitut anderer Problemstellungen zu geraten und es beginnen sich daran Unzufriedenheiten zu entwickeln, die eigentlich organisatorisch oder inhaltlich bedingt sind.

Die Planung sollte im ersten Schritt auf die wichtigsten Projekte beschränkt werden. Kleinere Projekte müssen nicht differenziert geplant und können auch über Grundlasten der Mitarbeiter berücksichtigt werden.

Sind alle Regeln definiert und hat ein repräsentativer Ist-Datenbestand die Robustheit der Methodik und Prozesse bestätigt, kann schrittweise der Rollout auf weitere Projekte und Mitarbeiter erfolgen. Mit der Implementierung geht in der Regel eine Organisationsentwicklung einher, die sich über mehrere Jahre erstrecken kann. Mit dem Vorliegen von Ist-Daten und Erfahrungswerten entwickelt sich die Ressourcenplanung zu einem Managementinstrument, welches seinen Nutzen für die vorausschauende Planung des Unternehmens und der Projekt voll entfalten kann.

Auf diesem Weg ist erfahrungsgemäß jedoch noch eine große Hürde zu nehmen. Ist die einmalige Erfassung des Projektportfolios und der Ressourcensituation bereits ein anspruchsvolles Projekt, liegt die eigentliche Herausforderung in der regelmäßigen und auf den Nutzen ausgerichteten Aktualisierung der Daten. Hier sind ein intensives Coaching der Anwender und der Aufbau eines effizienten Berichtswesens dringend zu empfehlen.

Zum Autor:

Dipl. Betriebswirt Rainer Trendelenburg (rt@wiko.de), Studium an der Hochschule für Wirtschaft in Heidelberg. Freiberufliche Tätigkeit für Züblin, Zürich und Geilinger, Winterthur. 1985 – 2000 Geschäftsführer der ods GmbH. Seit 2001 Geschäftsführer der wiko Bausoftware GmbH, Freiburg. Design und Implementierung von Controlling, Projektcontrolling und Multiprojektmanagement in ca. 650 Organisationen in Deutschland und der Schweiz. Mitglied der GPM; dort aktiv in der Fachgruppe Projektcontrolling.