„Die PV-Branche kann viel von der Halbleiterindustrie abschauen.“
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Solarbranche haben sich verschärft: Preisverfall, Überkapazitäten und ein harter Wettbewerb mit hochsubventionierten Unternehmen aus Asien fordern die Industrie heraus. Zahlreiche Insolvenzen in USA und Europa in den letzten ein, zwei Jahren sprechen hier eine deutliche Sprache. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, haben sächsische Unternehmen an Europas führendem Technologiestandort für Photovoltaik, Organische Elektronik und Mikro- und Nanoelektronik in der Region Dresden, Freiberg und Chemnitz sowie das Fraunhofer-Institut für Produktionsplanung und Automatisierung (FhG IPA) aus Stuttgart ihre Kompetenzen im Netzwerk „SolarCore – Cost Reduction in Photovoltaics Production“ zusammengefasst. Ziel ist es, 2012 als schwieriges Übergangsjahr für die Solarindustrie erfolgreich zu meistern, schnellstmöglich Kostengleichheit zu konventionell erzeugtem Strom herzustellen (Grid Parity) und mit neuen, branchenübergreifenden Technologie- und Produktlösungen die Zukunft der Solarindustrie in Deutschland zu sichern. Im Rahmen des in Kooperation mit dem sächsischen IKT-Branchenverband Silicon Saxony e.V. ausgerichteten 1. SolarCore-Symposiums in Dresden sagte SolarCore-Netzwerk-Manager Ernst-Günter Mohr: „Wir zeigen Wege auf, um dem zunehmenden Preisdruck zu begegnen. Die Rahmenbedingungen dafür sind gut.“ Die Branche profitiere von den ansässigen Technologieexperten in der Mikroelektronik, aber auch der organischen und gedruckten Elektronik, und wolle dieses Wissen nun in Fertigungsprozesse umsetzen, die neueste Materialien und Technologie-Know-how vereinen, so Mohr weiter.
Automatische Fertigungsprozesse sind in der Mikroelektronik seit Jahren Standard und sollen nun in anderen Branchen Einzug halten, dazu Diplom Ingenieur Frank Bölstler, Principal IT Consultant des IT Systemhauses und MES-Anbieters acp-IT, Dresden: „Der Automatisierungsgrad in der PV-Branche liegt immer noch hinter dem von vergleichbaren Industrien wie Semiconductor, Automotive, Glasindustrie. So lag der Fokus in den letzten Jahren wohl auf Voll-Automatisierung sowohl in der Zell-, Dünnschicht- als auch Modulproduktion.“ Motivation hierfür seien aber in erste Linie die Wiederholbarkeit der Prozesse und starke Kapazitätserweiterungen gewesen. „Ein weiterer Schwerpunkt war der Einzug von Werkstattfertigungskonzepten, um flexibler auf Einzel-Maschinenausfälle zu reagieren und Material auf andere Maschineninstanzen umzurouten“, so Bölstler weiter.
Zu den in Dresden vorgestellten Projektthemen gehörten u.a. die Optimierung der Fertigungssteuerung und der Modulzuverlässigkeit sowie die Steigerung der Energieeffizienz in der Produktion. Darüber hinaus wurden automatisierungsgerechte Zellverpackungen und neuen Konzepte für ein kostenoptimiertes Datenmanagement vorgestellt. Die Projekte decken dabei die gesamte Wertschöpfungskette der Solarbranche ab – im Bereich der siliziumbasierten Photovoltaikindustrie von den ersten Arbeitsschritten bei der Verarbeitung des Rohsiliziums über die Modulproduktion bis hin zur Ertragssicherung von Photovoltaik-Systemen, wie Solarkraftwerken oder privaten Kleinanlagen.
Nach Einschätzung des IT-Experten Bölstler lassen sich Produktionskosten in der PV-Branche durch den Einsatz entsprechender Instrumente und Methoden wirkungsvoll und signifikant senken: „Dazu bedarf es vorab der Identifikation der wirklich kritischen Prozessparameter, die in belastbarer Korrelation mit den Qualitätsparametern es Produktes stehen, z.B. durch Data Mining und werkzeuggestützte Korrelationsanalysen der Unmengen an Daten. Da liegen bestimmt noch Prozessparameter verborgen, die heute noch nicht überwacht werden, weil sie einfach nicht bekannt sind.“ Es würden zwar schon sehr viele Daten erfasst werden, es fehle aber noch an den strukturierten Methoden, diese Daten mit Werkzeugen wie MES oder SPC zielgerichtet auszuwerten. Hier könne die PV-Branche viel von der Halbleiterindustrie abschauen (FMEA, Failure Mode and Effects Analysis oder SigSigma) und dann daraus ableiten, welche Daten, welche Reports und welche Auswertungen aus den Daten und Rückschlüsse auf Aktionen für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess de facto benötigt werden, so Bölstler abschließend.