Chipfabriken-Sterben: Trend oder Momentaufnahme?

Nach Angaben des Marktforschungsunternehmen “IC Insights” (Scottsdale/USA) wurden seit 2009 49 Chipfabriken rund um den Globus geschlossen, vor allem solche älteren Typs. Dies sei auch durch die Einrichtung moderner Werke nicht kompensiert worden, so die Analyse. “In den kommenden Jahren werden weitere Unternehmen ältere Wafer-Fabriken schließen und auf ein fabrikloses oder Fablight-Geschäftsmodell umschwenken”, prognostizierten die Markforscher weiter. Trevor Yancey von IC Insights zum ‚Chipfabriken-Sterben’: „Der Grund für diese Schließungen hat eindeutig mit der Marktkrise und der Rezession zu tun, die Ende 2008 die Industrie mit ganzer Härte traf. Das ist aber kein Trend, der so weiter geht – zumindest nicht in diesem Umfang. Die meisten Fabs mussten infolge der Krise 2009 und 2010 ihre Pforten schließen.“ Es sei aber ein genereller Trend bei Halbleiter-Unternehmen zu beobachten, dass sie ihre ICs bei Auftragsfertigern wie TSMC fertigen lassen würden. „Immer weniger und weniger Unternehmen werden es sich leisten können, eigene Fabs zu besitzen und zu betreiben“, sagt Trevor Yancey voraus. Einmal nach Wafer-Größen sortiert ergibt sich für die von IC Insights aufgeführten, geschlossenen Fabs folgende Verteilung: 21 für 150 mm, 13 für 200 mm, 7 für 125 mm, 5 für 300 mm und 3 für 100 mm. Das hierzulande wohl prominenteste Opfer mit Spitzentechnologie war Qimonda, das sowohl in Dresden als auch in Virginia hochmoderne 300-mm-Fabs hatte, aber dem Preisdruck des Chipmarktes auch nicht mehr standhalten konnte. Und auch wenn der Trend weiterhin zu 300-mm-Wafer-Fertigung und ambitioniert sowie mit extrem hohen Kosten verbunden (siehe auch Beitrag „Schicksalsfrage 450-mm-Halbleitertechnologie“) auch zu 450 mm geht, geben die Autoren von computerbase.de zu bedenken, dass aktuell ein Großteil aller Halbleiterprodukte immer noch von 200 mm großen Wafern komme, die 300-mm-Scheiben würden nur einen kleinen Teil ausmachen. Der taiwanische Konzern TSMC produziere noch nicht einmal ein Viertel aller Wafer in der Größe von 300 mm vom Band, mehr als 75 Prozent fertige der größte Auftragsfertiger der Welt noch auf 200-mm-Wafern.

Dr. Eric Maiser, Geschäftsführer Director VDMA Productronic (Elektronikproduktion), warnt ebenfalls vor zu viel Euphorie: „Der Schritt in Richtung 300-mm-Fabs lohnt sich indes nicht für alle Produkte und alle Märkte. Für Leistungselektronik, Mixed Signal, Analog, Wifi, Automotive, LEDs (More than Moore) usw. gelten nicht die gleichen Maßstäbe wie für DRAM und Logic (More Moore).“ Es sei nicht selten, dass ältere Fabs (150 mm und 200 mm) auf More than Moore-Produkte umgerüstet würden (siehe Kasten).

Stichwort „Skalierung: More Moore – Diversifizierung: More than Moore“

Die in »More Moore« für Speicher und Prozessoren entwickelten Technologien werden in einem zweiten Schritt für andere Produkte und Anwendungsfelder nutzbar gemacht, wie Hochfrequenz, Automotive, Leistungselektronik, oder Sensoren und Aktoren (»More than Moore«). Einerseits sind diese vielfach in stärkerem Ausmaß als Speicher und Prozessoren Schlüsselkomponenten für die deutsche Wirtschaft – z. B. ist die Verwendung maßgeschneiderter elektronischer Systeme ein unverzichtbarer Wettbewerbsvorteil für die deutsche Automobilindustrie. Andererseits ist die Entwicklung von »More than Moore«-Technologien ohne profunde Kenntnisse und Fähigkeiten in »More Moore« nicht möglich. Die weitere Forschung an Halbleitertechnologien für die Höchstintegration hat also eine volkswirtschaftliche Bedeutung, die weit über das zurzeit nicht unproblematische Speichergeschäft hinausreicht. (Quelle: https://www.mikroelektronik.fraunhofer.de)

Ein Upgrade der Maschinen, Umrüsten usw. erspare einen kompletten Neubau, und Medienversorgung oder Reinräume beispielsweise würden ja weiterhin in diesen Fabs funktionieren. „Bei dem ganzen Hype um größere Wafer“, so Eric Maiser, „wurde teilweise schon beklagt, dass Maschinen für 150 mm und 200 mm nicht mehr verfügbar seien.“ Da es insbesondere mit der DRAM-Fertigung schwer sei, mit überschaubaren Investitionen Geld zu verdienen, sei es für die Unternehmen – die weiterhin im Geschäft bleiben wollten – sicher klug, in ‚More than Moore’ zu gehen. „So oder so: Die europäischen Maschinenbauer bedienen eine große Bandbreite in der Halbleiterfertigung; Projekte für 450-mm-Equipment laufen bereits, auch wenn nur wenige große Hersteller bei der 450-mm-Fertigung für wenige Produkte wie DRAM durchhalten werden“, blickt Eric Maiser nach vorne.

Aktuell prognostizieren die Auguren von Gartner ein Wachstum um etwa 4 Prozent auf einen weltweiten Umsatz von 316 Milliarden US-Dollar für den Halbleitermarkt in 2012. Nach Angaben des Branchendienstes heise.de hat Gartner damit seine letzte Prognose von Ende 2011 annähernd verdoppelt. Noch positiver fällt allerdings die Prognose von Semico Research aus, die ein Wachstum von 10 Prozent voraussagt. Nach Angaben von Gartner ist und bleibt der größte einzelne Absatzmarkt für Halbleiterbauelemente die klassischen Desktop-PCs, Notebooks und Server mit zusammen 4,7 Prozent  Wachstum, was einem Halbleiter-Umsatz in Höhe von insgesamt 57,8 Milliarden US-Dollar entsprechen soll. Danach  kommen Smartphones mit 6,7 Prozent Zuwachs bei einer 57,2 Milliarden US-Dollar schweren Chip-Nachfrage. Das stärkste Wachstum nach Gartner werden Media Tablets verzeichnen, also iPads oder Android-Tablets. Sage und schreibe 78 [!] Prozent sollen hier die Stückzahlen zulegen, was ein verbautes Halbleitervolumen im Wert von 9,5 Milliarden US-Dollar widerspiegelt. Der Kuchen ist also groß genug, fragt sich nur, ob und wie viel jeder davon abbekommt.