„Produktion in Europa ist unverzichtbar!“

Die Halbleiterindustrie in Europa – Trends, Herausforderungen und Chancen und wie sich Texas Instruments für die Zukunft rüstet – Im Gespräch mit Dr. Michael Hummel, Head of European Operations, Texas Instruments (TI), Freising

Wie steht es um die Halbleiterbranche in Europa und weltweit?
Was sind die großen Herausforderungen?

Hummel: Der generelle Trend, neue Groß-Investitionen – insbesondere im Produktions-Umfeld – nach Asien zu verlegen, ist noch immer vorhanden. Der weltweite Abbau von Fertigungskapazitäten, der nach der letzten Wirtschaftskrise in 2008 bzw. 2009 erfolgte, ist bislang noch nicht wieder komplett egalisiert, allerdings nähert sich das Produktionsniveau dem Level vor der Krise an. Gleichzeitig ist es der europäischen Halbleiterindustrie und ihren Interessenvertretungen gelungen, die Einstufung der Halbleiter-Branche als Key Enabling Technologie – oder abgekürzt KET – durch die EU-Kommission zu erreichen. Dies ist für mich ein klarer Beweis dafür, dass wir als Industrie gelernt haben, unsere spezifischen Interessen und Bedürfnisse in Europa besser zu konsolidieren und somit wirkungsvoller gegenüber der Politik zu artikulieren. Dennoch stehen wir heute vor großen Herausforderungen:
1. Die Unternehmen müssen immer schneller und flexibler auf die sich stets verändernden Markt- und Kundenanforderungen reagieren. Dies bedeutet, dass Entwicklungszeiten für neue Produkte und Technologien immer kürzer werden müssen.

2. In Bezug auf die Energiekosten und die damit verbundenen Steuer- und Abgabenlasten liegen wir in Europa derzeit weit über allen anderen relevanten Fertigungsstandorten in der Welt! Da Stromkosten bei der Halbleiterherstellung bis zu 10 [!] Prozent der Produktionskosten ausmachen können, lässt sich ein solcher standortbedingter Nachteil dauerhaft nur sehr schwer kompensieren! Hinzu kommt die abnehmende Präsenz der Halbleiterhersteller in Europa, die wiederum in vielen Bereichen eine abnehmende Präsenz der Equipmenthersteller nach sich zieht. Dies wiederum wirkt sich negativ aus auf die Verfügbarkeit von Expertenwissen und die Vorhaltung von kritischen Ersatzteilen im europäischen Raum. Diese Entwicklung gilt es nicht nur zu stoppen, sondern umzukehren!

 

Ist denn die Halbleiterindustrie in Europa im weltweiten Konzert der Großen noch wettbewerbsfähig?
Hummel: Meiner Ansicht nach muss es hier nicht „noch“ heißen, sondern „in zunehmendem Maße wieder“. Fakt ist: Wir haben STM, Global Foundries, Infineon, TI und viele andere große Player, die alle in Europa produzieren. Damit dies so bleibt, zählen wir jedoch auf die Vertreter der Politik:  nur die Politik kann entsprechende Maßnahmen ergreifen, die sicherstellen, dass wichtige Wettbewerbsfaktoren, wie zum Beispiel die Energiekosten, nicht zu einem standortgefährdenden Nachteil für unsere Branche werden. Die Energiewende in Europa darf nicht zu Lasten von im internationalen Wettbewerb stehenden, energieintensiven Industrien, wie zum Beispiel die Halbleiterindustrie, vollzogen werden.
Ein weiteres, sehr wichtigstes Element der europäischen Wettbewerbsfähigkeit besteht in der Ingenieurs-Kultur, die auch den Erfolg vieler anderer technischer Branchen in Europa ermöglicht hat. Die Kreativität und das Fachwissen unserer Ingenieure in Verbindung mit deren Ausbildung und Erfahrung haben in Europa ein  „Engineering Eco-System“ geformt, welches es uns erlaubt, den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs erfolgreich begegnen zu können.
Eine Spitzen-Position in Bezug auf Innovation ist für Europa eine unabdingbare Voraussetzung, um andere standortbezogene Nachteile dauerhaft erfolgreich ausgleichen zu können! Deshalb sind wir alle gemeinsam gefordert, dieses Eco-System kontinuierlich weiter auszubauen und zu stärken. Die Kooperation von kleinen und mittleren Ingenieurbüros, Equipmentherstellern und anderen Zulieferbetriebe gemeinsam mit großen High-Tech-Unternehmen ist heute der Motor für Innovation in Europa. Damit dies auch in Zukunft gewährleistet bleibt, brauchen wir kontinuierlich exzellent ausgebildeten und kritisch-kreativen Ingenieur-Nachwuchs. Diesen Nachwuchs sicherzustellen, ist in meinen Augen ein gesamtgesellschaftliches Thema, zu dem neben der Industrie und der Politik auch die Forschungseinrichtungen in Europa einen wichtigen Beitrag leisten können.

Wie geht es denn TI? Stichworte: TI will zwei Fabriken schließen und 1.000 Stellen fallen weg!
Hummel: Durch die Übernahme von National Semiconductor im vergangenen Herbst sind wie international hervorragend positioniert. Wir verfügen durch den Zusammenschluss ueber ein Portfolio von mehr als 42.000 Analog-Produkten! Damit sind wir in der Lage, unseren Kunden für jede Anforderung eine Komplett-Lösung anzubieten.Was die kürzlich bekanntgegebene Schließungen der beiden TI Standorte in Hiji/Japan und in Houston/Texas betrifft, so sind diese das Ergebnis der kontinuierlichen Bewertung aller unserer Wafer Fabs hinsichtlich deren wirtschaftlicher und technologischer Faktoren.  Beide Standorte sind bereits seit über 40 Jahren in Produktion und fertigen derzeit noch auf 150-mm-Wafern Produkte, deren Nachfrage in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken ist. Die Kosten für eine Modernisierung dieser beiden Fabs verbunden mit der Umstellung auf 200-mm-Wafer einschließlich der erforderlichen Anpassung der vorhandenen Infrastruktur übersteigt bei weitem die Kosten für eine Verlagerung der wenigen Produkte, die in diesen beiden Fabs noch produziert werden.

Mit welchen Zukunftsprodukten positioniert sich TI u.a. in den von Ihnen genannten Branchen?
Hummel: TI hat viele verschiedene neue Produkte im Industrie und Automotive-Umfeld, so etwa für den Bereich „Erneuerbare Energien“ und Metering, mit denen unsere Kunden die gesetzlichen Anforderungen für Smart Grid und Energieeffizienz erfüllen können. Wir haben Lösungen für die industrielle Kommunikation, die die steigenden Anforderungen für Gebäude- und Fabrikautomatisierung bedienen, wie etwa AM335 x Multi Protocol Field Bus Communication. Für automobile Anwendungen bieten wir beispielweise ADAS- (Advanced Driver Assistance Systems) und Infotainment-Systeme, da Trends wie Fahrassistenz, Sicherheit durch automatisierte Systeme und iPad-Benutzererfahrung immer wichtiger werden. Unser Fokus liegt weiterhin auf Analog-Produkten, Embedded Processing und Connectivity und dem Wachstum in allen Analog und Embedded Processing-Marktsegmenten. Deutschland allein hat einen Anteil von 40 Prozent am Micro-Controller- und Analog-Gesamtmarkt. Wir werden mit dem weitestgehend komplementären Produktportfolio von Semiconductor unsere führende Position im Analog-Bereich weiter ausbauen. Unser Produkt-Portfolio erlaubt es uns, maßgeschneiderte und hochinnovative Gesamt-Konzepte anbieten zu können, mit denen unsere Kunden umso erfolgreicher den Herausforderungen ihrer Marksegmente gerecht werden können. Wichtiges Element unserer Wachstumsstrategie ist die interne Produktionskapazität, die unseren Kunden auch in Zeiten hoher Nachfrage die Sicherheit gibt, in der von ihnen gewünschten Menge und Qualität beliefert zu werden.

Wie wichtig ist der Standort Deutschland für TI, wie wichtig ist Europa?
Hummel: Durch die Nähe zu vielen wichtigen Schlüssel-Industrien wie zum Beispiel zur Automobil-Industrie, zum Anlagenbau oder zur Telekommunikation ist Deutschland ein sehr wichtiger Entwicklungs- und Produktionsstandort für TI. Hinzu kommt, dass wir am Standort Freising nicht nur Halbleiterbauelemente produzieren, sondern gleichzeitig auch die Prozesstechnologie für den Standort und andere Wafer Fabs in TI entwickeln. Dies gibt uns ein hohes Maß an Flexibilität, mit dem wir auf die speziellen Wünsche und Bedarfe unserer Kunden eingehen können. Bedingt durch die enorm große Vielfalt an Prozesstechnologien in unserer Fab in Freising werden heute über 25 Prozent aller von TI hergestellten ICs hier in Freising produziert. Kurz gesagt – Produktion in Europa ist aus meiner persönlichen Sicht unverzichtbar – nur wer die Kunst beherrscht, etwas zu fertigen, kann dauerhaft erfolgreich sein in den Bereichen Innovation und Entwicklung.