Deutsche Halbleiterbranche: „Wir spüren natürlich, dass wir auf einen frostigen Winter zumarschieren!“

Headlines der vergangenen Wochen wie „Infineon weitet nach Gewinneinbruch Kurzarbeit aus“, „Texas Instruments will Stellen streichen“, „Wird AMD ein Pennystock, verkauft oder gar zerschlagen?“ oder auch „Rückgang der Märkte für elektronische Komponenten“ zeichnen nicht gerade ein positives Szenario für die Zukunft der Branche. Allein der deutsche Markt wird nach einer Schätzung der Marktexperten des ZVEI-Fachverbands Electronic Components and Systems im laufenden Jahr um gut drei Prozent auf ca. 16,8 Milliarden Euro zurückgehen. „Die Staatsschuldenkrise im Euroraum hat sich im laufenden Jahr negativ auf die deutsche Wirtschaft und damit auch auf den deutschen Halbleitermarkt ausgewirkt. Für das kommende Jahr gehen wir davon aus, dass sich der Euroraum erholt – wenn auch langsam“, so Kurt Sievers, Vorsitzender des Fachverbands Electronic Components and Systems. Der Weltmarkt für elektronische Komponenten werde im laufenden Jahr auf US-Dollar Basis um knapp zwei Prozent auf 460 Milliarden US-Dollar zurückgehen, in Europa auf US-Dollar Basis um acht Prozent auf einen Umsatz von gut 59 Milliarden US-Dollar. Einzig die Region Asien/Pazifik soll den Umsatz des Vorjahres halten können, schätzen die Auguren des ZVEI.

„Als global aufgestellter Halbleiterfertiger spüren wir natürlich, dass wir auf einen frostigen Winter zumarschieren“, so Karin Raths, EMEA Communications Globalfoundries. Die Branche sei zyklisch – was keine Neuigkeit sei. Auch Energiewende und Eurokrise gingen nicht spurlos an der Branche vorbei.

Karin Raths, Globalfoundries: „Was sich tatsächlich verändert hat, ist der Trend der Verbraucher hin zu kleinen und mobilen Endgeräten. Wir verzeichnen einen deutlichen Zuwachs im Bereich von Smartphones, Webtablets und ultraleichten und dünnen Notebooks. All diese Produkte benötigen kleine und leistungsfähige Chips“

„Was sich tatsächlich verändert hat, ist der Trend der Verbraucher hin zu kleinen und mobilen Endgeräten. Wir verzeichnen einen deutlichen Zuwachs im Bereich von Smartphones, Webtablets und ultraleichten und dünnen Notebooks. All diese Produkte benötigen kleine und leistungsfähige Chips“, so Globalfoundries Pressesprecherin Raths weiter. Begegnen will und kann Globalfoundries diesem Trend mit einem breitem Technologieportfolio und einem zunehmend diversifizierten Kundenportfolio.

Besonders dünn wird die Luft für die ehemaligen Platzhirsche AMD und INTEL, so schreibt etwa Blogger Nero24: „Intel ist zwar nach wie vor der Marktführer bei den x86-Prozessoren, doch im Gegensatz zu früher ist das kein Kriterium mehr. Für den Massenmarkt – Smartphones und Tablets – sind keine x86-Prozessoren mehr nötig.“ Dean McCarron, Analyst bei Mercury Research, gegenüber der Zeitschrift PC-World: „Das dritte Quartal 2012 war das zweitschlechteste in der Geschichte der x86-Prozessoren, nur das Platzen der Dotcom-Blase im ersten Quartal 2001 war verheerender.“ Das hat seine Gründe: Nach Angaben von IDC wurden im dritten Quartal 2012 weltweit um 8,6 Prozent weniger PCs ausgeliefert.

Bei AMD ist die Situation derart angespannt, dass sich der einstige Chip-Gigant an den Bankriesen JPMorgan Chase & Co gewandt hat und dabei alle Optionen prüfen lassen will, um aus der Misere rauszukommen – inklusive Verkauf an ein anderes Unternehmen. Von Anna Carzana, Corporate Communication and Analyst Relation Manager bei AMD, war zum Thema Verkauf oder Zerschlagung von AMD auf Nachfrage von PRODUKTION nichts zu erfahren. Carzana zur Strategie von AMD – sich noch ohne Verkauf – aus dieser misslichen Lage zu befreien: „Die PC-Industrie durchläuft eine Phase bedeutender Veränderungen. Infolgedessen beschleunigen wir unsere strategischen Initiativen, AMD so zu positionieren, um diese Verschiebungen auszunutzen. Dazu gehört, uns jenseits des traditionellen PC-Markts zu diversifizieren und die schnell wachsenden und angrenzenden Märkte aggressiv zu verfolgen und zu bearbeiten, wo wir Chancen für Differenzierung und Wachstum sehen.“

Bei AMD ist die Situation derart angespannt, dass sich der einstige Chip-Gigant an den Bankriesen JPMorgan Chase & Co gewandt hat und dabei alle Optionen prüfen lassen will, um aus der Misere rauszukommen – inklusive Verkauf an ein anderes Unternehmen.

Das dürfte nach Ansicht von Jan Christian Göhmann, Analyst der NORD/LB, aber nicht ganz einfach werden: „Der PC-Markt ist ohne Frage rückläufig, hingegen haben sich mit Smartphones und Tablets ein stark wachsender Markt etabliert. In diesem wird es für AMD als ehemaliger Chipgigant im PC-Markt nicht einfach: neue, kleine und flexible Player, aber auch alte Bekannte wie Qualcomm haben sich dort festgesetzt und sorgen Dank der Nachfrage von Big Playern wie Samsung und auch Apple für mächtig Wettbewerbsdruck.“

Auch der deutsche Halbleiterkonzern Infineon bleibt von den Folgen der Marktveränderungen nicht unberührt, wie Frau Dr. Barbara Schaden, Director Strategy Development Infineon Technologies AG, erläutert: „Das Segment Power Management & Multimarket lebt stark von der Kommunikations- und Informationstechnik. Infineon spürt die Umsatzverschiebung weg vom klassischen PC und Notebook – hin zum Geschäft mit Chips für Smartphones, Tablet-Computer und Server.“ Dennoch stimme die langfristige Ausrichtung des Unternehmens. Infineon habe die richtigen Produkte für die richtigen Themen: Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit. So konnte Infineon etwa im Bereich Automotive von den Erfolgen der Premium-Hersteller und dem Wachstum in Asien profitieren und seinen Marktanteil in diesem Geschäft sogar ausbauen. „Die o.g. Megatrends werden auch künftig unser Wachstum unterstützen“, ist sich Barbara Schaden sicher.

Barbara Schaden, Infineon: „Das Segment Power Management & Multimarket lebt stark von der Kommunikations- und Informationstechnik. Infineon spürt die Umsatzverschiebung weg vom klassischen PC und Notebook – hin zum Geschäft mit Chis für Smartphones, Tablet-Computer und Server.“

Zudem werde man im Markt den Weg vom Anbieter einzelner Bauelemente hin zum Experten für Komplett- und Systemlösungen gehen, was in vielen Bereichen schon gut gelänge. Dennoch schultert das Unternehmen infolge des „konjunkturell stärker werdenden Gegenwinds“ für 2013 ein 100 Millionen Euro schweres Sparprogramm (wir berichteten). „Wir gehen jedoch davon aus, dass sich das Marktumfeld, gestützt auch durch saisonale Effekte, in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2013 verbessern wird.“

Globalfoundries PR-Frau Karin Raths wirft abschließend auch noch einen Blick in die Zukunft: „Unabhängig von der Marktentwicklung, die immer schon extrem zyklisch war, sehen wir eine Reihe von spezifischen Herausforderungen für Halbleiterhersteller in Deutschland und Europa. Das reicht von Energiekosten und anderen Konsequenzen der Energiewende bis hin zu Fragen der generellen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber asiatischen und amerikanischen Standorten.“ Hier sei vor allem die Politik gefragt, die die Rahmenbedingungen für die Fertigung von Hochtechnologieprodukten realistisch gestalten muss. Die Key-Enabling-Technology-Strategie (KET) der EU sei der richtige Ansatz, müsse nun aber zügig umgesetzt werden. „Papiere sind das eine, konkrete Maßnahmen das andere“, so Raths.