Industrie 4.0 ist nie gleich

Industrie 4.0 folgt keinem festgefahrenen Schema, ebenso wenig geht es um die Entscheidung zwischen ‚machen’ und ‚nicht machen’.  Denn die aus Industrie 4.0 entstehende Dynamik ist die Basis für neue Ideen, neue Prozesse und neue Geschäftsmodelle. Ein Gastbeitrag von Dipl.-Ing. Bernhard Falkner, Geschäftsführer Industrie Informatik.

Grundsätzlich gilt es zu verstehen, dass Industrie 4.0 in jedem Unternehmen individuelle Prozesse darstellt, die auf die internen Gegebenheiten abgestimmt sein müssen. Eine wichtige, gemeinsame Grundlage ist jedoch die intensive Vernetzung verschiedenster Komponenten. Diese kann im gesamten Lebenszyklus eines Produktes stattfinden, der sich vom Engineering-Prozess, über die Produktion, bis hin zur konkreten Produkt-Nutzung erstreckt, oder einzelne Teilbereiche davon abdecken. Im Fokus der Produktion ergeben sich daraus folgende Handlungsfelder:

Bernhard Falkner beschreibt die 4 Handlungsfelder von Industrie 4.0. Bild: Industrie Informatik
Bernhard Falkner beschreibt die 4 Handlungsfelder von Industrie 4.0. Bild: Industrie Informatik

Das erste wichtige Handlungsfeld, das daraus entsteht ist die Integration sowohl entlang der Wertschöpfungskette, als auch innerhalb des Unternehmens über Soft- und Hardware-Hierarchien hinweg. In unserem speziellen Fall als MES-Anbieter bedeutet das, dass wir für eine optimale Performance auf die Grobplanungsdaten eines übergeordneten ERP aufbauen. Die von uns generierten Informationen müssen lückenlos und bedarfsgerecht retourniert werden, um einen wahren Mehrwert für den Nutzer zu schaffen. Webservices spielen hier eine gewichtige Rolle. Auf der anderen Seite braucht es eine lücken- und fehlerlose Kommunikation mit der Maschinenebene. Im Hinblick auf Industrie 4.0 erfolgt diese Kommunikation im Idealfall unterstützt durch Standards wie OPC-UA. Erst im Zusammenspiel können all diese Komponenten ihre echten Stärken ausspielen und den mit Industrie 4.0 angestrebten Mehrwert auslösen.

Daten spielen hier natürlich eine zentrale Rolle. Womit sich auch gleich eine wichtige Henne-Ei-Frage auftut: Betreibe ich Industrie 4.0 um Daten zu erhalten, oder benötige ich diese als Basis, um derartige Maßnahmen überhaupt in die Tat umsetzen zu können? Richtig ist natürlich beides. Ein breites Spektrum an Daten von Produktions-, über Maschinen-, Personen- und Prozess-, bis hin zu Produktdaten hat verschiedenste Ursprünge und Einsatzgebiete.

Dank voll automatisierter Abläufe, muss sich der Produktionsmitarbeiter nicht mehr um manuelle Standardabläufe wie Rüstvorgänge und Einstellwerte kümmern. Bild: Industrie Informatik
Dank voll automatisierter Abläufe, muss sich der Produktionsmitarbeiter nicht mehr um manuelle Standardabläufe wie Rüstvorgänge und Einstellwerte kümmern. Bild: Industrie Informatik

Die daraus resultierenden Möglichkeiten im Industrie 4.0 Umfeld lassen sich anhand eines voll automatisierten Produktionsprozesses – in diesem Beispiel eine Radfelge – sehr schön veranschaulichen: Den Beginn macht ein Fertigungsauftrag inklusive Vorgabewerte aus dem ERP, der an das MES übergeben wird. Der im ersten Arbeitsgang entstandene Rohling wird nach einem Check mittels Röntgengerät in Form und Größe erkannt, einem bestimmten Felgentyp zugeordnet und mit einer eindeutigen Seriennummer versehen. Die Felge wird anschließend – erneut automatisch – einem Produktionsauftrag zugeordnet und die Einstelldaten an den Arbeitsplatz übergeben. In der Folge werden, bezogen auf die Seriennummer der Felge, Ist-Prozessdaten zu jedem Arbeitsplatz gespeichert und an die Folge-Arbeitsplätze weitergegeben, wo sie sich auch auf die Einstelldaten der Maschinen auswirken können. Das alles erfolgt in einem voll automatisierten Ablauf, in dem Daten einerseits als Basis für weitere Arbeitsschritte dienen und andererseits aus diesen Bearbeitungsprozessen generiert werden.

Voll automatisierte Abläufe wie das Felgenbeispiel haben zur Folge, dass sich der Produktionsmitarbeiter nicht mehr um manuelle Standardabläufe wie Rüstvorgänge und Einstellwerte kümmern muss. Das heißt auch, dass manuell ausgelöste Rückmeldungen nicht notwendig sind und daher auch nicht gemacht werden. Dementsprechend wichtig ist es also, Ergebnisse und Kennzahlen aus diesen Prozessen kontextorientiert und übersichtlich darzustellen und für weitere Benutzerinteraktionen aufzubereiten. Vereinfacht gesagt müssen dem Mitarbeiter die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Den Spagat zwischen den enormen Datenmengen in einem Produktionsbetrieb und deren maßgeschneiderter Aufbereitung gilt es zu bewältigen. Industrie Informatik bietet in diesem Zusammenhang mit dem cronetwork Portal ein flexibles Dashboard, das sich je nach Anforderung aus verschiedensten Informationsquellen zusammensetzen lässt – und das ganz einfach per Drag & Drop. Aktuell noch als eher ‘visionär’ anzusehen, aber durchaus mit Potential versehen, werden Wearables wie die oft genannten Datenbrillen hier in Zukunft noch viele weitere Möglichkeiten und Anwendungsfelder eröffnen.

Der Autor dieses Beitrags, Dipl.-Ing. Bernhard Falkner, ist überzeugt, dass die aus Industrie 4.0 entstehende Dynamik die Basis für neue Ideen, neue Prozesse und neue Geschäftsmodelle ist. Bild: Industrie Informatik
Der Autor dieses Beitrags, Dipl.-Ing. Bernhard Falkner, ist überzeugt, dass die aus Industrie 4.0 entstehende Dynamik die Basis für neue Ideen, neue Prozesse und neue Geschäftsmodelle ist. Bild: Industrie Informatik

Neben der kontextorientierten Informationsbereitstellung ist die situationsgerechte Interaktion ein essentielles Merkmal von Industrie 4.0 Initiativen. Das heißt vereinfacht gesagt, dass es nicht länger ausreicht, die richtigen Daten als Information bereitzustellen. Vielmehr muss ein situationsabhängiger, intuitiver und daher erwartungsgerechter Dialog mit dem Nutzer entstehen.

Aus diesem Dialog entsteht nun auch die Möglichkeit, eigene Prozesse und Abläufe zu optimieren. Ein passendes Beispiel ist in der Produktionsplanung zu finden. Um der hohen Dynamik, die üblicherweise im Fertigungsumfeld herrscht, Herr zu werden, benötigt es eine aktuelle Sicht auf die Durchführbarkeit der Planung. Ein Feinplanungstool muss Daten also in Echtzeit liefern und berücksichtigen, um die nötige Flexibilität zu gewährleisten. Ein Planer muss im Kurzfristbereich auf die nötigen Informationen zugreifen können und diese gegebenenfalls direkt anpassen. Als Ergebnis entstehen optimierte Rüstzeiten, verringerte Durchlaufzeiten, uvm. Durch die Berücksichtigung von Echtzeitdaten leistet ein Feinplanungstool wie das unsere einen wesentlichen Beitrag zu Industrie 4.0.